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Symposium >100 Jahre Bgld - Ein kritischer Blick in die Zukunft

Seit 100 Jahren ist das Burgenland ein selbständiges Bundesland in der Republik Österreich. Wie sich die drei burgenländischen Volksgruppen seither entwickelt haben, ist hinlänglich bekannt. Wie aber sieht es in 100 Jahren aus?
Im Rahmen des diesjährigen Symposiums der ARGE Volksgruppe diskutierte am 5. November 2021 ein äußerst interessiertes Publikum mit dem Journalisten, Historiker und Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes Gerhard Baumgartner sowie der Slawistin und Expertin für Nachhaltigkeit Anita Malli über das Burgenland im Jahr 2121.

ARGE-Obmann Richard Basler macht in seiner Begrüßung auf den historisch bedeutenden Aspekt aufmerksam, dass durch die Grenzverschiebung im Jahr 1921 aus der ungarischsprachigen Mehrheitsbevölkerung im Burgenland auf einmal eine Minderheit wurde.

Marco Blascetta, Claudia Fellinger und Konstantin Vlasich sorgen mit einer Performance für Aufsehen, die Klischees in Vergangenheit und Gegenwart aufdeckte und das Jahr 2121 mit einer künstlichen Intelligenz imaginierte.

Gerhard Baumgartner weist in seinem Vortrag darauf hin, dass es in 100 Jahren keine Sprache mehr geben wird, die fest mit einem bestimmten Ort verbunden ist. Schon heute bietet die Entwicklung der Medien und des kommunikativen Umgangs miteinander die Möglichkeit, in unterschiedlich großen Foren an unterschiedlichen Plätzen miteinander zu kommunizieren. So kann eine Sprache wie etwa Romanes, deren Sprecherinnen und Sprecher über größere Distanzen verstreut leben, mithilfe des Internets und der sozialen Medien gepflegt, erhalten und auch weiterentwickelt werden. Baumgartner ist auch der Überzeugung, dass die Sprache der Volksgruppen im Burgenland überleben werden, aber die Schrift zunehmend unwichtiger ist, da automatisierte Übersetzungen immer stärkere Verbreitung finden. Eine burgenlandkroatische oder ungarische „Alexa“ wird automatisch übersetzen oder einfach ein Buch vorlesen, womit die Notwendigkeit des Lesens (und des Schreibens) nicht mehr gegeben ist.

Anita Malli geht in ihrem Beitrag ebenfalls auf die rasante Entwicklung der Kommunikationsmittel ein. Malli sieht den Erhalt der Volksgruppensprachen allerdings nicht so optimistisch. Sie spricht eine Studie eines US-amerikanischen Linguisten an, die besagt, dass in 100 Jahren von derzeit rund 6.500 Sprachen nur etwa zehn Prozent übrig sein werden. Das werden wohl Staatssprachen sein, womit sie für Ungarisch eine positive Entwicklung sieht. Was mit Burgenlandkroatisch oder Romanes passiert, ist dagegen schwer einzuschätzen. In einem Gedankenexperiment sieht sie das Burgenlandkroatische bei ihrer imaginären Urenkelin verloren, weil die Familie nach Frankreich zieht und sich für das Deutsche als Umgangssprache entscheidet. Der Radius der Sprecherinnen und Sprecher wird sich aufgrund der Globalisierung weiterhin vergrößern, was sowohl zur Aufgabe von Sprachen, aber auch zu neuer Motivation beim Sprachenlernen führen kann. So sorgt die weltweit erfolgreiche Netflix-Serie "Squid Game" aktuell für einen Ansturm bei Koreanisch-Kursen.

Moderiert hat das Symposium Eva Maria Wohlfarter von der ARGE Volksgruppen.